17.01.2004

 

Super8-3D-Film - Gab´s das wirklich?

Bereits 1937 wurde in Berlin der erste 3D-Farb-Tonfilm in der Filmgeschichte aufgeführt: ZUM GREIFEN NAH, ein Werbefilm mit Spielhandlung. Der Erfolg bei Publikum und Presse war sensationell. Der Filmtitel verselbstständigte sich und wurde in den folgenden Jahrzehnten noch so manchem 3D-Film vorangestellt. 

Es ist der echte Stereo-Effekt, der bei der Projektion mit zwei synchron laufenden Projektoren, oder noch perfekter, mit zwei nebeneinander auf den Film kopierten Stereo-Teilbildern erzielt wird, die im Projektor optisch (durch Spiegel und/oder Prismen) wieder getrennt werden. Gemeinsam ist diesen „echten" 3D-Verfahren, dass die Besonderheit des polarisierten Lichtes, nur in einer Ebene zu schwingen, mit einem raffinierten Trick dazu benützt wird, jedem Auge die ihm zugedachte Bildinformation separat zukommen zu lassen. Das Licht muss daher auf seinem Weg vom Projektor zum Auge an zwei Stellen ein Polfilter durchlaufen. Dies geschieht nach folgendem Schema: Projektionslampe> Kondensor> linkes Stereobild> optisches System > Polfilter (= Polarisator) mit senkrechter Achse> metallisierte Leinwand - dort Reflexion ohne Depolarisierung> Polfilterfolie vor dem linken Auge (ebenfalls mit senkrechter Achse) > natürliche Optik des Auges. Für das rechte Stereobild gilt Entsprechendes.

Die Super8-Industrie nahm dieses Thema nur sehr zögerlich auf. Sie rechnete nicht mit großer Nachfrage und lies daher den Super-8-Filmer (mit einer Ausnahme, dem 1972 herausgebrachten ELMO-Stereo-Vorsatz) im Stich. Dass der geschäftliche Erfolg im Grunde überwiegend davon abhängt, wie intensiv man eine neue Sache propagiert, wieviel Geld in die Werbung investiert wird, hat Kodak mit Super-8 und den Pocket Instamatic-Filmen mehrfach bewiesen. Für den Stereofilm hat sich nie ein großes Unternehmen stark gemacht. Leider.

War der Super-8-Film als Stereo-Bildträger überhaupt geeignet?

Wenn man ein dreidimensionales Laufbild erhalten will, muss man ein Motiv gleichzeitig mit zwei um den Augenabstand verschobenen optischen Systemen aufnehmen, möglichst auf dem gleichen Filmstreifen, damit man sich bei der Vorführung nicht auch noch mit Synchronisationsproblemen herumschlagen muss. Das bedeutet Halbierung des Filmformats. Der Super-8-Film reicht also nicht ganz aus, er müsste eigentlich doppelt so breit sein, um die Rechnung gleiche Schärfe trotz Bildverdopplung — glatt aufgehen zu lassen.

Variante I: Adaptierung eines Kleinbild-Stereovorsatzes an Super8-Kamera und -Projektor.

Als besonders geeignet erwies sich der Stitz-Stereo-Vorsatz, ein japanisches Fabrikat zur Herstellung von 24X36-Dias mit einäugigen Spiegelreflexkameras. Er ist heute noch gelegentlich bei ebay im Angebot. Dabei sein sollten aber neben dem doppeläugigen Aufnahmevorsatz und dessen Halterung vor Projektionsobjektiven beliebiger Fabrikate auch zwei Reduzierringe für Frontlinsendurchmesser 49 mm und 55 mm, so dass eine Adaptierung an dem weit verbreiteten Schneider Variogon 1,8/7-56 mm, z. B. an der Nizo S 560, ohne weiteres möglich ist.

Der Spiegelvorsatz lenkt das Bild zweimal horizontal um 90° ab und verkürzt die ursprünglich dem Augenabstand entsprechende Stereo-Basis so weit, dass das Vario-Objektiv der Kamera in der Lage ist, das Stereo-Doppelbild als zwei aufrecht stehende, seitenrichtige Teilbilder nebeneinander abzubilden. Ein senkrechter dünner Balken trennt die beiden hochformatigen Bilder, deren Seitenverhältnis von 1:1,55 aber einigermaßen ungewohnt erscheint (siehe in Abb. 2 den Originalstreifen eines Testfilms).

Man muss das Hochformat nur in der Motivwahl bereits berücksichtigen. Im übrigen waren die Zuschauer, von der plastischen Wirkung begeistert und haben die länglichen Bilder als etwas Besonderes empfunden.

Auch aufnahmetechnisch gibt es beim Stitz-Stereo-System noch eine Besonderheit: Der Winkel des äußeren Spiegelpaares lässt sich mit einem Einstellring variieren. Diese Konstruktion ist nötig, um bei unterschiedlichen Entfernungen zwischen Objekt und Kamera das Hauptmotiv stets in die Mitte eines jeden Teilbildes platzieren zu können. Auf diese Weise sind auch Stereo-Nahaufnahmen möglich. Zusätzlich lässt sich eine schwarze Blende mittels Rändelschraube verstellen und dem Spiegelwinkel optimal anpassen. Obwohl für die KB-Fotografie konzipiert, eignete sich das System auch gut für die Adaptierung an den meisten Super8-Kameras mit annähernd gleichem Frontlinsendurchmesser; für die Nizo S 560 waren die Brennweiten von 15-65 mm ohne Vignettierung verwendbar.

Das gleiche optische System wurde auch dem Projektorobjektiv vorgeschaltet. Zur Halterung ist eine stabile Grundplatte mit Gestänge vorgesehen. In letzterem konnte der Stereo-Vorsatz beliebig hoch eingeschraubt werden (siehe Abb. 3). Eine Polarisationsfolie musste dem Doppelsystem aufgesteckt werden, damit jedes Teilbild als unterschiedlich (senkrecht oder waagrecht) polarisierter Lichtstrahl projiziert werden konnte. Benötigt wurde auch eine Polarisationsbrille, ohne die es bei den üblichen Stereo-Verfahren leider nicht abgeht. Jedes Polfilterglas der Brille lässt nur das für ein Auge bestimmte polarisierte Licht durch und löscht das ungeeignete Störbild völlig aus. Voraussetzung ist, dass eine metallisierte Spezialleinwand als Projektionsfläche verwendet wird. Eine gewöhnliche Perlleinwand oder ein anderes Textilmaterial würde die Polarisation des Lichtes aufheben und der SD-Effekt wäre dahin. Mit Hilfe des Einstellrings am Stereo-Vorsatz musste beim Probelauf das Motiv der Doppelbilder auf der Leinwand zur Deckung gebracht. Doppelkonturen verhindern oder erschweren den Stereobildeindruck. Man sollte dies schon bei der Aufnahme berücksichtigen und während des Filmens den Spiegelwinkel nicht verstellen. Man erspart sich dadurch das störende Nachstellen bei der Projektion.

Der Stitz-Stereo-Vorsatz war sicher mehr als ein Notbehelf, vielmehr ausgeklügeltes, lückenloses System, das für Super8-Stereofilmvorführungen durchaus geeignet war.

Variante 2: Der ELMO-ESM-1-Stereo-Vorsatz, speziell für ELMO-Filmkameras und -Projektoren konzipiert.

Die ELMO-Super-8-Kameramodelle 106 und 110 (siehe Abb. 4) sowie die Super-8-Projektoren VP-A und alle GP-Modelle sind für plastische Filmaufnahmen und SD-Wiedergabe tauglich. Das Set wurde 1972 in einer eleganten schwarzen Kunststoff-Tasche angeboten.

Oberstes Prinzip der japanischen Konstrukteure war anscheinend die Forderung nach einem querformatigen Projektionsbild. Damit dies gelingen konnte, musste das Super-8-Querformat senkrecht unterteilt werden, wobei die Super-8-Mittelsenkrechte jeweils die Unterkante der Teilbilder bilden musste. Diese etwas komplizierte Beschreibung macht Abb.5 (Skizze von der Anordnung der Teilbilder auf dem Filmstreifen) mit einem Blick klar.

 

Das linke wie auch das rechte Bild mussten jeweils um 90° nach links bzw. nach rechts gedreht werden. Da aber auch die Basis verkürzt werden sollte, war es nötig, das Licht dreifach zu spiegeln (zweimal vertikal und einmal horizontal).

Nach allen Gesetzen der konventionellen Optik liefert dreifache Reflexion ein seitenverkehrtes Bild. Die Teilbilder ähneln zudem den bekannten Skatkarten mit Doppelbild. Ihre Vertikalen verlaufen obendrein im Sucher waagrecht, so dass ein Umkehrprisma nötig war, das dem Sucherokular nachgeschaltet wird, um all diese skurrilen optischen Verrenkungen wieder geradezubiegen. Alle Achtung vor dem ELMO-Aufsichtsgremium, das diesen technischen Kapriolen „grünes Licht" gegeben hat. Im übrigen benötigt man für die genannten Projektoren die üblichen vor die Optik zu schraubenden Polfilter und die Filterbrillen für den Zuschauer - zwei lagen der Verkaufspackung ursprünglich bei. Im Stereo-Vorsatz ist nur der rechte, für die Vertikalablenkung verantwortliche Spiegel verstellbar; er ermöglicht die Zentrierung bei der Aufnahme und die Konturendeckung bei der Projektion.

Komplett besteht das ELMO-ESM-1-System inklusive Kameraschiene und 2 Brillen aus insgesamt 8 Einzelteilen, die es richtig anzubringen gilt. Wahrlich viel optisches Gerät für damals zu zahlende 300.- DM! Vergessen wir nicht: Dieser Aufwand war nötig, um das gewohnte Querformat-Projektionsbild zu retten. Wer dies für den einzigen Weg zum Stereo-Glück ansieht, wird sich auch heute noch auf die Suche nach dem ELMO-System machen müssen. Stereo-Filmfreunde mit SD-Dia-Ambitionen, falls sie das ungewohnte Hochformat nicht stört, dürften dagegen dem STITZ-System den Vorzug geben. Echte, überraschend plastische Stereobilder liefern beide Varianten.

Herbert Schmelzer